Unter den Weihnachtbaum gehört Schokolade! Weihnachten ohne das kakaohaltige Naschwerk wäre allenfalls vergleichbar mit Ostern ohne Eier. Doch es ist ein ganz schönes Stück Weg, ehe das fertige Produkt, egal ob quadratisch-praktisch, rechteckig, in Form von Pralinen oder als rot gewandeter Bartträger festliche Atmosphäre befördert. Auf diesem vielstufigen Pfad ist es überaus faszinierend, wie Erfindungsreichtum oder Zufallserkenntnis so viele Verarbeitungsschritte von einer tropischen Frucht bis zu einer süßen Masse ausgeklügelt haben.
Wobei in jüngster Zeit nicht nur der Sarotti-Mohr die ganz Branche in Misskredit zu bringen versucht. Umweltschützer sorgen sich um den Wasserhaushalt in den Anbaugebieten, soziale Aktivisten um schuftende Kinder und ausgebeutete Landarbeiterinnen und Landarbeiter. Das soll aber nicht mein Thema sein. Wenngleich ich vorab versichere, niemandem das Wasser abzugraben und weder Landarbeiterinnen noch Kinder, schon gar keine kolorierten, zu knechten. Ganz im Gegenteil, sowohl meine Gattin als auch unsere Kinder, allesamt wohl als PoC zu kategorisieren (ich sehe sie ohne farbliche Unterschiede als meine Familie), halten sich eher fern von Gartenarbeit.
Genug der Vorrede. Es geht um den Kakao, und nicht darum, irgendwen durch selbigen zu ziehen. Das Werden des Kakaos ließe sich nach althergebrachter Art wie folgt beschreiben: Am

Anfang war – nein, nicht das Wort. Am Anfang war der Baum. Richtig, der Kakaobaum Theobroma cacao aus der Familie der Malvengewächse. In der Natur kann er bis 15 Meter groß werden, auf Plantagen hält man die Bäume auf vier Meter kurz. Schließlich will man ja auch ohne immensen Aufwand an die Früchte gelangen. Die Blätter können stolze 35 Zentimeter lang werden. Am kuriosesten sind die Blüten, die in immenser Zahl direkt aus dem Stamm oder den Ästen sprießen. Der Fachmann – auf der Suche nach dem genderkorrekten Ausdruck ist nun Fantasie gefragt, wobei Fachfrau sicher der Fachmännin vorzuziehen ist. Fachperson würde das Ganze vom generischen Maskulinum ins Gegenteil verkehren und gewiss eine neue Richtung in die Grundsatzdiskussion bringen. Als Neutrum hätte ich noch Fachpersonal anzubieten. Also am einfachsten, wir verlassen das überkommene Deutsch und fügen uns der kompletten Anglisierung, indem der entsprechende Personenkreis zu expert gewandelt wird. Aber zurück zum Thema. Der Fachmann nennt das Kauliflorie. Die Expertin übrigens auch.

Aus einigen wenigen Blüten, dank der geringen Prozentzahl drängt sich der Vergleich mit den Auserwählten geradezu auf, werden Früchte. Biologisch gesehen gehören sie zu den Beeren, Panzerbeeren, um exakt zu sein. Diese werden etwa 20 Zentimeter lang und bis rund 500 Gramm schwer. Die Mehrheit des Gewichts fällt, wie auch in der modernen Industrie üblich, auf die Verpackung, hier in Form einer dicken, lederharten Schale. Die schützt 30 bis 60 Samen, die ihrerseits von einem weißen, süßlichen und sehr glibberigen Fruchtfleisch umgeben sind. Das Fruchtfleisch ist sehr schmackhaft. Und ließe es sich problemlos von den Kernen trennen und als Obst verwenden, wäre wohl kaum jemand auf die Idee mit dem Kakao gekommen.
Wenn jetzt viele gespannt sein werden, wie es nun weitergeht zu Schokomilch und Weinbrandbohne, muss ich sie enttäuschen. Es gibt noch einen kleinen Umweg. Bisher, man kann das weiter oben nachlesen, geht es um den Baum, Singular. Da ließe sich zwar auch schon was daraus machen, doch allenfalls in homöopathischen Dosen. Ganz korrekt muss ich ja zugeben, dass in meinem Garten drei Bäume stehen. Gut, mit dem einen Nachzügler sind es inzwischen vier. Doch trägt nur einer davon nun im zweiten Jahr Früchte, der zweite ist noch im Versuchsstadium und der dritte erquickt sich bisher in fruchtloser Blüte. Um in verwertbarer Menge Kakao zu erzeugen, bedarf es also den Sprung zur Mehrzahl. Vermehrungstechnisch sozusagen.
Generell ist da eine natürliche Abfolge vorgegeben: Blüte – Frucht – Samen – Pflanze. Doch ist der Kakao da vervielfältigungstechnisch etwas eigen, wie schon der mühsame Schritt von der Blüte zur Frucht zeigt. Weniger als 1% der Blüten schafft es zum Früchtchen. Und dann kamen bei meinem Freund in Thailand die Eichhörnchen, die Geschmack an dem Zeug fanden. Eichhörnchen habe ich in meinem Garten bisher nicht gesehen. Hoffentlich bleibt das auch so.
Man könnte natürlich die Vermehrung des Kakaobaums ganz der Natur überlassen. Ein unabsichtlicher Versuch, ich hatte zwei höher am Baum hängenden Früchte übersehen, gab einen Hinweis darauf, dass das nicht die zuverlässigste Methode sein könnte. Im konkreten Fall blieben die Früchte einfach am Baum hängen, überstanden nach der Reife auch einen gründlichen Trocknungsprozess und blieben als schwarze vertrocknete Klumpen am Baum. Da kam kein Nachwuchs. Also Beeren ernten, aufbrechen, Samen entnehmen.
Denkt man dann, man steckt den Samen in die Erde und lehnt sich geruhsam zurück, Fehlanzeige. Der Samen wird ja, siehe oben, vom sehr anhänglichen Fruchtfleisch umgeben. Lässt man es dran am Kern, beginnen andere natürliche Prozesse, die mit verschiedenen

Mikroorganismen zu tun haben. Entweder schimmelt das Zeug oder es gärt. Nur einen neuen Baum will es nicht hervorbringen. Das mit dem Gären wird uns übrigens erneut begegnen, wenn es Richtung Schokolade geht. Also gilt es, das Fruchtfleisch vom Kern zu trennen. Das erfordert einige Geschicklichkeit. Zum einen verleiht das Fruchtfleisch dem Ganzen eine kaum zu übertreffende glibberig-rutschige Note und zum anderen kann man bei zu herzhaftem Griff auch mal den jungen Keim beschädigen, sozusagen im Keime ersticken.
Doch selbst, wenn mit griffigen Fingernägeln und viel Geduld Fleisch und Kern separiert sind, ist man noch nicht am Ziel der Wünsche. Bleiben die unbedeckten Bohnen nun im Trockenen, bekommt das ihrer Keimfähigkeit überhaupt nicht. Also kommen sie sofort

ins Wasser, wo sie für 24 Stunden bleiben. Diese Zeit genügt in der Regel auch um festzustellen, ob der Keim auch nach harter Behandlung noch intakt ist. Denn es beginnt sofort ein fröhlich Treiben.
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